Der Stadt und den Bürgern Regensburgs fehlt ein großherziger Freund und unaufdringlicher Mahner gegen das Vergessen; die Arbeitsgemeinschaft ehemaliges KZ Flossenbürg e. V. betrauert den Tod ihres Ehrenvorsitzenden.
Mit Tadeusz Sobolewicz verlieren wir einen der zwei Überlebenden des KZ-Außenlagers Colosseum in Stadtamhof, die immer wieder zu den Gedenkveranstaltungen am 23. April nach Regensburg gekommen sind. Er selbst konnte in den letzten Jahren nicht mehr reisen, empfing aber Schüler- und Studiengruppen aus ganz Deutschland, auch aus Regensburg, in Krakau, um sie durch das das KZ Auschwitz-Birkenau zu führen.
Anders als viele seiner überlebenden Mitgefangenen begannen seine „Lesungen“ selten mit seinem Buch oder einer seiner biographischen Skizzen, sondern mit seinem Gegenüber: Meist fragte er diejenigen, die schon die KZ von Auschwitz oder Flossenbürg besucht hatten: „Und was habt ihr gesehen? Was denkt ihr jetzt?“ Und dann half er ihnen nicht nur zu sehen, sondern zu verstehen, indem er sie mitnahm in seine Schilderungen, wie das war, wenn man nichts zu essen hatte, gedemütigt wurde, von den Eltern nichts wusste, selbst dem Tod ganz nahe war. Er stellte nicht die Schreckensgeschichten und unfassbaren Gräuel in den Mittelpunkt, die er mehr als die meisten anderen hätte erzählen können: Er, der auf dem Weg durch 6 verschiedene KZ zweimal schon zu den Getöteten gelegt worden war, der alle Schikanen erleben musste und sich zuletzt noch auf einen der längsten Todesmärsche bis an dessen Ende bei Laufen an der Salzach schleppte.
Er hatte eine Botschaft für heute, er wandte sich immer wieder dezidiert an seine jugendlichen Zuhörer: ‚Ihr habt die Verantwortung für die Zukunft, für den Frieden! Ich bitte euch, dafür einzutreten!‘ Seine verständnisvollen Worte in dem Land, an den Stätten seiner schlimmsten Verletzungen an Leib und Seele, erreichten die Menschen.
Seit er 1995 erstmals nach Regensburg gekommen war, seit er hier in vielen Schulen, in Bildungseinrichtungen und bei öffentlichen Veranstaltungen Zeugnis abgelegt hatte, nahm er Anteil an den Auseinandersetzungen um ein lebendiges, ein würdiges Gedenken in Regensburg. Er gehörte zu den ersten, der die Forderung der Arbeitsgemeinschaft ehemaliges KZ Flossenbürg nach einem gemeinsamen Gedenken für alle Opfer des Nationalsozialismus in der Stadt unterstützte. In seiner Grußadresse an die Teilnehmer des 1. Gemeinsamen Gedenkweges, drückt er seine Freude darüber aus und bedauert, dass er selbst nicht mehr teilnehmen kann. Schon an seinem 90sten Geburtstag, am 26. März 2015, hatte er wie immer unpathetisch und gefasst resümiert:
„Mein Lieber, meine Gesundheit ist zu Ende. Die Kräfte sind schon ganz schwach.“ Am 28. Oktober 2015 waren die vielfältigen Krankheiten und Gebrechen seiner Leidenszeit in den Lagern auch für diesen starken Mann zu viel, Tadeusz Sobolewicz hat uns für immer verlassen.