Regensburger Schülerinnen und Schüler erforschen das Leben der Gefangenen aus dem KZ-Außenkommando Colosseum, daraus wächst ein Gedenkbuch
70 Jahre nach der Befreiung der Stadt kündigt das offizielle Regensburg eine neue Gedenkkultur an. Zum ersten gemeinsamen Gedenkweg aller Initiativen und Institutionen, die ihrer und auch aller anderer Opfer während des Nationalsozialismus gedenken, hatte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs 2015 erstmals im Namen der Stadt als Veranstalter eingeladen.
Damit endet eine lange Periode, in der nach der Weigerung der Stadt, aller Opfer in gleicher Weise zu gedenken, mindestens zwei, teilweise sogar miteinander konkurrierende Gedenk-veranstaltungen ‚durchgezogen‘ wurden. Traditionell beginnt der Gedenkweg in Stadtamhof am Colosseum, wo die Arbeitsgemeinschaft ehemaliges KZ Flossenbürg e. V. (ARGE) an die KZ-Toten des Außenlagers erinnert; mehrere Überlebende kamen in den vergangenen Jahren dort noch selbst zu Wort. Aber wissen wir, ob der 90jährige Zbigniew Kolakowski nicht der letzte Überlebende der Gefangenen aus dem Colosseum war, der zu uns gesprochen und in den Schulen junge Menschen der 4. oder schon 5. Generation beeindruckt, ja – in dieser Generation ist das offensichtlich kein Tabu mehr! – begeistert hat? Mit ihm könnte in der Erinnerungskultur die Phase des kommunikativen Gedenkens zu Ende gehen. Wir stehen dann in der Verantwortung, ein kulturelles Gedenken zu schaffen und zu gestalten, das sich nicht mehr auf die Zeitzeugen und ihre Präsenz verlassen kann. Die Erinnerung an die nationalsozialistische Schreckensherrschaft scheint zunächst nicht gefährdet; für die nachfolgenden Generationen und auch die aus anderen Kulturen Zugewanderten mit ihrem Bedürfnis, Geschichte und Erinnerung auf die Gestaltung ihrer Zukunft hin zu erklären und zu verstehen, müssen neue Zugänge ohne den moralischen Zeigefinger gefunden werden, Empathie ist deswegen nicht verbannt, aber auch nicht der ‚Königsweg‘ des Gedenkens.
Mit Zbigniew Kolakowski oder Tadeusz Sobolewicz (1925 – 2015) verbinden viele Regensburger Bürger ein Gesicht, einen Namen und ein Schicksal – von den anderen Hunderten wissen wir nicht viel mehr als Nummer, Name, Herkunft. Als Person, als Individuum bleiben sie uns fremd, gleichen sie Ungeliebten, Vergessenen … ohne Familie, Freunde, Beruf, öffentliche Anerkennung, Lebenslauf, ohne ein eigenes Leben.
Den Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft, Schülerinnen und Schüler sollten sich dieser 400, 500 Einzelschicksale in Patenschaften annehmen und ihnen durch die Erforschung ihres Lebens zu einem dauerhaften Platz in der Erinnerung und im Gedenken der Bürger der Stadt verhelfen, hat die Stadt durch die Zusage des Oberbürgermeisters noch während des Gedenkweges aufgenommen. Die ARGE wird auf das Referat für Bildung, Sport und Freizeit wegen eines gemeinsamen Projekts zugehen.
Allerdings haben sich bereits mehrere Schulen und Jugendverbände gemeldet, die am liebsten sofort starten wollen. Wir werden sie nicht bremsen und diese ersten Vorhaben als Piloten vor dem eigentlichen Projektstart beginnen lassen. Hierfür verwenden wir vorliegende Materialien und eruieren, welche Unterlagen nötig sind. Zusammen mit erfahrenen Lehrkräften werden bereits erprobte methodische Handreichungen angeboten und in den Pilotprojekten evaluiert.
Regensburg, September 2015
Hans Simon-Pelanda
Arbeitsgemeinschaft ehem. KZ Flossenbürg e. V.